Die Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes (kurz NVL Typ2-Diabetes, auch Diabetes-Versorgungsleitlinie) ist eine Medizinische Leitlinie, die im Rahmen des deutschen Programms für Nationale Versorgungsleitlinien erstmals im Jahr 2002 veröffentlicht wurde und seitdem regelmäßig aktualisiert worden ist, zuletzt 2023. Die Leitlinie ist gültig bis zum 14. Mai 2028.

Inhalte

Die medizinischen Inhalte der Leitlinie finden sich in folgenden Kapiteln:

  1. Epidemiologie
  2. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen
  3. Screening und erhöhtes Diabetesrisiko.
  4. Diagnostik
  5. Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels

Ausgewählte Empfehlungen der Leitlinie

Die nachstehende Übersicht enthält solche Empfehlungen der Leitlinie, die auch für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnten. Die Originaltexte der Leitlinien sind kursiv gesetzt (Quelle: NVL Typ-2-Diabetes 2023 Langfassung, publiziert im AWMF-Leitlinienregister)

Kapitel 2. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen

Kapitel 2.2. Vereinbarung und kontinuierliche Überprüfung individueller Therapieziele

Empfehlung 2-1: Menschen mit Typ-2-Diabetes und ihre Ärztin/ihr Arzt sollen initial und wiederholt im Erkrankungsverlauf gemeinsam individuelle Therapieziele vereinbaren und priorisieren.

Empfehlung 2-2: Individuell mit der Patientin/dem Patienten vereinbarte Therapieziele sollen im Laufe der Behandlung regelmäßig und je nach Bedarf evaluiert und entsprechend den Ergebnissen weiter verfolgt oder angepasst werden.

Empfehlung 2-3: Die Ärztin oder der Arzt soll die individuellen Therapieziele und ggf. ihr begründetes Nicht-Erreichen – nachvollziehbar für die Patientin/den Patienten und betreuende Berufsgruppen – dokumentieren und zur Verfügung stellen. Dies gilt auch für die Evaluation der Therapiezielerreichung.

Kapitel 2.3. Risikokommunikation zu Diagnose und Therapieoptionen

Empfehlung 2-4: Bei der Aufklärung über Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten des Typ-2-Diabetes sollen die unterschiedlichen Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen umfassend und in verständlicher Form dargestellt werden.

Kapitel 2.4. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF)

Empfehlung 2-5: Bei anstehenden gesundheitsbezogenen Entscheidungen bezüglich des Typ-2-Diabetes soll die Gesprächsführung entsprechend dem Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung erfolgen:

  • Team bilden: Problem definieren; mitteilen, dass eine Entscheidung ansteht; Gleichberechtigung formulieren;
  • Möglichkeiten erwägen: Behandlungsmöglichkeiten beschreiben; über Vor- und Nachteile informieren; Verständnis, Gedanken und Erwartungen erfragen; die Sicht und den Kontext der Patientin/des Patienten mit einbeziehen;
  • Entscheidung treffen: Präferenzen klären; Beteiligungswunsch ermitteln und Entscheidung herbeiführen; Vereinbarung treffen; Vereinbarungen zur Umsetzung der Entscheidung treffen.

Kapitel 2.5. Kontextfaktoren mit Einfluss auf die Erkrankung

Empfehlung 2-6: Bei der Vereinbarung und Priorisierung der individuellen Therapieziele und der Evaluation der Therapiestrategie sollen person- und umweltbezogene Kontextfaktoren berücksichtigt werden. Die Auswirkungen auf die Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen sollen berücksichtigt werden.

Kapitel 2.6. Therapieadhärenz

Empfehlung 2-7: Bei Nicht-Erreichung individueller Therapieziele, die nach dem Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung vereinbart wurden, soll nach Abbildung 4 und Abbildung 5 vorgegangen werden (siehe Abbildung 4: Therapeutischer Umgang mit einzelnen nicht-erreichten individuell vereinbarten Therapiezielen (Non-Adhärenz) auf Seite der Patienten und Patientinnen auf Seite 31 der Langfassung der Leitlinie; sowie Abbildung 5: Therapeutischer Umgang mit einzelnen nicht-erreichten individuell vereinbarten Therapiezielen (Non-Adhärenz) auf Seite der Behandelnden auf Seite 34 der Langfassung der Leitlinie).

Kapitel 3. Screening und erhöhtes Diabetesrisiko

Kapitel 3.1. Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko

Empfehlung 3-1: Bei Menschen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Diabetes soll die Untersuchung auf das Vorliegen eines Diabetes angeboten werden.

Kapitel 3.2. Therapeutische Konsequenzen für Menschen mit Laborwerten im Bereich des erhöhten Diabetesrisikos

Empfehlung 3-2: Bei Laborwerten im Bereich des erhöhten Diabetesrisikos (siehe nachstehende Tabelle) sollen lebensstilmodifizierende Maßnahmen empfohlen werden.

Kapitel 4. Diagnostik

Kapitel 4.1. Diagnose des Ty-2-Diabetes

Empfehlung 4-1: Die Diagnose Typ-2-Diabetes soll in Zusammenschau der Anamnese, der klinischen Befunde und auf Basis von bestätigten Laborwerten erfolgen (siehe Abbildung 6). Abbildung 6: "Algorithmus Diagnostik" auf Seite 51 der Langfassung der Leitlinie.

Empfehlung 4-2: Bei der Eingangsuntersuchung zur Diagnose des Typ-2-Diabetes sollen die in der nachstehenden Tabelle aufgeführte Anamnese und Untersuchungen durchgeführt werden, wenn angemessen.

Kapitel 4.2. Kommunikation der Diagnose

Empfehlung 4-6: Ergibt sich aus den Untersuchungen die Diagnose „Diabetes“, sollen folgende Grundsätze bei der Kommunikation berücksichtigt werden:

  • Die Diagnose soll im persönlichen Gespräch vermittelt werden.
  • Die Kommunikation soll wertschätzend sowie positiv lösungsorientiert sein (Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten), wobei eine Stigmatisierung vermieden werden soll.
  • Die Kommunikation soll – insbesondere bei Werten im Grenzbereich – die Unsicherheiten der Diagnostik berücksichtigen.

Kapitel 4.3. Überprüfung der Diagnose

Empfehlung 4-7: Die Diagnose Typ-2-Diabetes soll – insbesondere bei Ergebnissen im Grenzbereich – im Verlauf überprüft werden, da die Diagnoseparameter nur eine Aussage zum aktuellen Zeitpunkt zulassen.

Kapitel 4.4. Screening auf Folge- und Begleiterkrankungen

Empfehlung 4-8: Menschen mit Typ-2-Diabetes sollen bei der Erstdiagnose und dann in regelmäßigen zeitlichen Abständen strukturierte und wenn zutreffend seitenvergleichende Untersuchungen auf Folge- und Begleiterkrankungen erhalten.

Empfehlung 4-9: Die erhobenen Befunde sollen dokumentiert und mit den Betroffenen besprochen werden und in die Therapie einfließen.

Kapitel 5. Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels

Empfehlung 5-1: Vor jeder Therapie-Eskalation sollen Ursachen für die Nicht-Erreichung bisher vereinbarter Therapieziele evaluiert und berücksichtigt werden.

Empfehlung 5-2: Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes soll eine Therapie-Deeskalation oder eine Veränderung der Therapiestrategie regelmäßig geprüft werden, insbesondere:

  • wenn die negativen Effekte der Therapie auf die Sicherheit und die Lebensqualität der/des Betroffenen überwiegen;
  • wenn die individuelle Situation dafür spricht, dass prognostische Aspekte eine geringere Rolle spielen als die aktuelle Lebensqualität;
  • wenn das individuelle Therapieziel unterschritten wird;
  • bei Multimorbidität und Polymedikation;
  • bei Auftreten von akuten Erkrankungen.

Empfehlung 5-3: Ist bei Menschen mit Typ-2-Diabetes

  • unter Berücksichtigung der individuellen Therapieziele und
  • nach Ausschöpfung der nicht-medikamentösen Basistherapie

eine medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels indiziert, soll der Therapie-Algorithmus (siehe Abbildung 7) angewendet werden. Abbildung 7: "Algorithmus Medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes" auf Seite 78 der Langfassung der Leitlinie.

Kapitel 5.5.7. Insuline

Empfehlung 5-4: Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes soll die Indikation zur Insulintherapie in folgenden Situationen geprüft werden:

  • bei Nicht-Erreichen des individuellen Therapieziels trotz Ausschöpfung der nicht-medikamentösen Maßnahmen und medikamentösen Therapie
  • bei metabolischen Entgleisungen, z. B. bei Erstdiagnose (unklare diagnostische Situation, Typ-1-Diabetes nicht sicher ausgeschlossen);
  • bei Gabe von diabetogenen Medikamenten (z. B. Glukokortikoide), bei schweren Infekten, Traumata oder größeren Operationen, (eventuell nur temporär);
  • bei stark eingeschränkter Nierenfunktion (in Abhängigkeit vom individuellen Therapieziel)

Empfehlung 5-5: Die Deeskalation der Insulintherapie soll bei Menschen mit Typ-2-Diabetes in folgenden Situationen geprüft werden: Wenn

  • die Indikation (z. B. akute Erkrankung, metabolische Entgleisung, Verschlechterung der Nierenfunktion) nicht mehr besteht;
  • die Zielwerte des Glukosestoffwechsels erreicht sind oder unterschritten werden;
  • Hypoglykämien auftreten;
  • sich das individuelle Therapieziel ändert (z. B. in Folge von Multimorbidität).

Beteiligte Organisationen

An der Entwicklung und Herausgabe der Leitlinie waren folgende Organisationen beteiligt:

  • Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK)
  • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG SELBSTHILFE)
  • Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
  • Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRAEC)
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
  • Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA)
  • Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCh)
  • Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)
  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
  • Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG)
  • Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
  • Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK)
  • Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
  • Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP)
  • Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM)
  • Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW)
  • Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)
  • Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP)
  • Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU)
  • Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW)
  • Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG)
  • Deutsche Röntgengesellschaft (DRG)
  • Deutsche Schmerzgesellschaft
  • Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK)
  • Deutscher Verband für Podologie (ZFD)
  • Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM)
  • Gesellschaft für Phytotherapie (GPT)
  • Verband der Diabetesberatungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V. (VDBD)
  • Verband Deutscher Podologen (VDP)
  • Verband medizinischer Fachberufe (VMF)

Fassungen der Leitlinie

Die Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes wurde mit folgenden Komponenten publiziert:

  • Langfassung: Graduierte Empfehlungen und Darstellung der Evidenzgrundlage (Evidenz und weitere Erwägungen)
  • Kurzfassung: Übersicht der graduierten Empfehlungen
  • Leitlinienreport mit Evidenztabellen
  • weitere Materialien wie Patientenblätter und Kurzinformationen.

Siehe auch

  • Asthma-Versorgungsleitlinie
  • COPD-Versorgungsleitlinie
  • Depression-Versorgungsleitlinie
  • Herzinsuffizienz-Versorgungsleitlinie
  • Hypertonie-Versorgungsleitlinie
  • KHK-Versorgungsleitlinie
  • NVL Kreuzschmerz

Weblinks

  • AWMF-Leitlinienregister: S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes
  • Programm für Nationale Versorgungsleitlinien: NVL Typ-2-Diabetes - Version 3 vom 15. Mai 2023 (Internet-Archiv, 6. Oktober 2024)

Einzelnachweise


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